Einfach mal nichts tun: die Kunst der Off-Season

Einfach mal nichts tun: die Kunst der Off-Season

Die meisten von euch sind entweder mittendrin, kurz davor oder gerade raus. Die Off-Season: oft besprochen und dennoch häufig vernachlässigt. Was ist sie? Wieso ist sie wichtig? Und macht sie überhaupt für mich Sinn? Im Blog gibt es ein paar Gedanken und Erfahrungen, die ich im Laufe der Jahre gemacht habe.

Was ist die Off-Season

Die Off-Season oder auch Saisonpause bezeichnet die Phase zwischen zwei Saisons, also idealerweise dem Form, Höhepunkt und dem Trainingseinstieg. Dabei richtet sich der Zeitpunkt am Rennkalender und der Sportart. Die Saison der Leichtathleten hat bspw. andere Höhepunkte als die der Triathleten oder Läufer. Für mich persönlich war der Ironman Hawaii im Oktober der Abschluss der Saison 2022 und gleichzeitig Startschuss für die Saison Pause.

Die Periode, die bei mir persönlich 2-4 Wochen dauert, dient dazu, die Akkus aufzuladen und den Kopf freizubekommen. Nach Monaten der akribischen Vorbereitung, frühen Schwimmeinheiten, langen Rolleneinheiten und etlicher Entbehrungen, hat der Trainingsplan keinen Einfluss auf meinen Tagesablauf. Noch besser: es gibt keinen Trainingsplan.

Zwei Wochen lang versuche ich praktisch nichts körperlich anstrengendes zu machen und meinem Körper Ruhe zu gönnen. Viel wichtiger als die körperliche Regeneration ist meiner Meinung nach aber die mentale Erholung. Häufig – auch in diesem Jahr – habe ich gegen Ende einer Saison das Gefühl, dass das Feuer etwas kleiner wird und die ganz große Lust auf Trainingseinheiten nachlässt. Gleichzeitig weiß ich, dass nach ein paar Tagen des Nichts-tun wieder das Kribbeln einsetzt und ich meine Laufschuhe schnüren möchte.

Engelchen und Teufelchen

Häufig läuft meine Saisonpause folgendermaßen ab: In den ersten 5-7 Tagen habe ich zwar keine Lust auf Sport, mich plagt aber das schlechte Triathleten-Gewissen, das Bewegung von mir verlangt. In dieser Zeit versuche ich wirklich gar nichts zu machen. In der zweiten Woche wird das schlechte Gewissen noch größer, die Lust nach Sport nimmt aber ab. Durch das langsame Runterfahren des Körpers merke ich erst, wie leer und ausgelaugt mein Körper nach der langen Saison ist und dass ihm eine Pause gut tut. In der dritten Woche nehme ich mir vor langsam wieder in einen Rhythmus zu kommen, die Einheiten aber kurz und locker zu halten. Gleichzeitig habe ich mich so sehr an die Trainingspause und viele Freizeit gewöhnt, dass ich mich nicht aufraffen kann und schon viel passieren muss, dass ich Sport mache. Die vierte Woch nutze ich, um mich langsam wieder an meine normale Struktur zu gewöhnen und in allen drei Sportarten in Bewegung zu bleiben. Zu diesem Zeitpunkt fühle ich mich außerdem meistens so unwohl in meinem Körper, dass ich mich alleine aus diesen Gründen ins Training stürzen möchte.

Der Neuanfang: schön ist anders

Die Wochen der Saisonpause versuche ich für Dinge zu nutzen, die während der Saison häufig hinten überfallen. Außerdem verbringe ich viel Zeit mit meiner Family und genieße es, mir keinen Wecker stellen zu müssen.

Der Wiedereinstieg ins Training fällt mir persönlich häufig schwer. Sowohl die Rückkehr in den früheren Rhythmus – das frühe Aufstehen, das bloß-keine-Zeit-verlieren, das Training in der Dunkelheit – als auch die Einheiten an sich sind zäh. Die Kraft und Ausdauer sind weg, das vorherige Grundlagentempo fühlt sich hart an, von Wasserlage will ich gar nicht sprechen. Gleichzeitig fühlt es sich gut an, von Woche zu Woche fitter zu werden und Fortschritte zu sehen. In wohl keiner anderen Zeit sind die Fortschritte so schnell wie in dieser.

Nicht zu viel investieren

Dennoch stürze ich mich nicht direkt zu Beginn mit aller Energie ins Training. Die Zeit bis Jahresende versuche ich, möglichst easy durch das Training zu kommen. Habe ich akut keine Lust, lasse ich die Einheit ausfallen. Bin ich morgens müde und möchte im Bett bleiben, sieht man mich nicht im Schwimmbad. Ich bin der Meinung, dass wir pro Saison nur eine gewisse Anzahl an Jokern haben, die wir ausspielen können. Ich stelle mir dies wie folgt vor: jedes Mal wenn ich keine Lust auf Training habe, wenn sich eine Einheit zäh anfühlt, ein Intervall hart oder das Wetter schlecht ist, ziehe ich einen Joker aus meinem Konto und ziehe die Einheit trotzdem durch – das kostet energetisch und mental mehr Kraft als die Einheiten in der Sonne oder wenn man gerade im Flow ist. Ist das Joker Konto irgendwann leer, ist Schicht im Schacht. Es fehlt schlichtweg an Motivation und im Worst-Case steht das Saison- Highlight noch bevor.

In der frühen Phase des Trainings versuche ich also vor allem, das Joker-Konto zu schonen und mir diese Punkte für einen späteren Zeitpunkt aufzuheben, wenn die Einheiten härter und wichtiger werden. Diese Taktik hat bei mir in der Vergangenheit gut funktioniert und mich durch die Saison gebracht.

Ich bin fest davon überzeugt, dass die Saisonpause gut und notwendig ist sofern das Jahr mit Highlights und einem Formaufbau gespickt ist. Geht es nur darum ganzjährig fit zu bleiben und nicht an bestimmten Höhepunkten „zu peaken“, ist diese Phase wohl eher nicht nötig. Bei mir weiß ich, dass sie sich im weiteren Saisonverlauf auszahlt und ich lieber ein bis zwei Wochen länger rumhänge als zu kurz. Es geht darum aufzuladen – die Akkus des Körpers und des Kopfes. Verspürt man das unbedingte Bedürfnis nach Bewegung, tut es ggf. auch ein langer Spaziergang oder eine neue Sportart. Wieso nicht einmal Tennis spielen oder einen Yoga Kurs besuchen. Wem das zu weit weg von der eigentlichen Sportart und Leidenschaft ist, der kann sein Gravel- oder Mountainbike nutzen und neue Touren erkunden. Ich rate dir jedoch, nicht schon jetzt wieder die immer gleichen Trainingsrunden zu fahren und das typische Schwimmprogramm abzuspulen. Abwechslung, neue Reize und Lücken im Trainingsplan haben ihre absolute Berechtigung.

 

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